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Rückforderungsansprüche des Arbeitgebers gegen vermeintliche Honorarkraft

Wird nachträglich von der DRV die abhängige Beschäftigung eines "freien Mitarbeiters" festgestellt, kann der Arbeitgeber etwaig zu viel gezahlte Vergütung nicht vom Arbeitnehmer zurückfordern (Urteil des Landesarbeitsgerichts Kiel vom 16. Januar 2020 - 5 SA 118/19).

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Rechtsanwältin Agnes Lisowski
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Das Landesarbeitsgericht (LArbG) Schleswig-Holstein führt die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Rückforderung von Honorarleistungen eines freien Mitarbeiters bei nachträglicher Feststellung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses fort (Urteil vom 16. Januar 2020, Az.: 5 SA 118/19).

Der Fall

Die Klägerin betreibt ein Pflege- und Therapiezentrum. Der Beklagte, eine examinierte Pflegefachkraft, war in der Zeit vom Januar bis Juli 2015 als freier Mitarbeiter für die Klägerin tätig. Er hat sich selbst gegen die Folgen von Krankheit und Unfall versichert und eigenständig Altersvorsorge betrieben.

Nach einer im Mai 2016 bei der Klägerin stattgefundenen Betriebsprüfung stellte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) fest, dass der Beklagte bei der Klägerin abhängig beschäftigt gewesen ist und erhob die Sozialversicherungsbeiträge nach. Der Beklagte erlangte dadurch keine Vorteile. Etwaige Beiträge sind im Rahmen der Nacherhebung seinem Rentenkonto nicht gutgeschrieben worden. Die Klägerin traf mit der Beschäftigung des Beklagten kein unternehmerisches Risiko. Nach den vertraglichen Regelungen schuldete die Klägerin dem Beklagten weder bezahlten Urlaub noch eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Der Beklagte genoss auch keinen Kündigungsschutz wie die festangestellten Mitarbeiter der Klägerin. Bei rückläufigen Belegungszahlen wurde er nicht beschäftigt.

Die Klägerin verklagte den Beklagten auf Rückzahlung überhöhter Vergütung. Sie war der Ansicht, dass der Beklagte aufgrund der nachträglichen Feststellung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses einen Anspruch lediglich auf die übliche Bruttovergütung und nicht auf die im schriftlichen Dienstvertrag vereinbarte Vergütung hat. Die Differenz ergab ungefähr die Hälfte der an den Beklagten bereits ausgezahlten Vergütung.

Der Beklagte machte den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gelten und obsiegte in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht.

Das Urteil

Auch das LArbG Schleswig-Holstein gab dem Beklagten Recht und wies die Berufung der Klägerin zurück.

Ob das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis war, ließ das Gericht offen. In Anlehnung an die Rechtsprechung des BAG (Urteile vom 26. Juni 2019, Az.: 5 AZR 178/18, vom 9. Februar 2005, Az.: 5 AZR 175/04 und vom 8. November 2006, Az.: 5 AZR 706/05) entschied es jedoch, dass der Klägerin zwar grundsätzlich ein Rückzahlungsanspruch zustehe, ihr aber die Berufung hierauf nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt sei, weil der Beklagte auf die mit der Klägerin im Dienstvertrag getroffenen Vergütungsabrede vertrauen durfte.

Die nachträgliche Feststellung des abhängigen Beschäftigungsverhältnisses sei nicht vom Beklagten ausgegangen. Er habe keine Vorteile aus der Feststellung erlangt, da er sich für die Fälle von Krankheit und Unfall oder für das Alter selbst versichert habe. Die fehlende Rechtskenntnis der Klägerin, dass es sich bei dem Rechtsverhältnis zum Beklagten um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gehandelt habe, stehe der Schutzwürdigkeit des Beklagten nicht entgegen. Die Vorteile der Klägerin, die diese aus der Gestaltung des Rechtsverhältnisses zum Beklagten als freies Dienstverhältnis gezogen habe, stütze vielmehr die Annahme eines Rechtsmissbrauchs seitens der Klägerin.

Auswirkungen auf die Praxis

Das finanzielle Risiko einer nachträglichen Feststellung, dass es sich bei einem freien Dienstverhältnis tatsächlich um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis handelt, trägt nach wie vor überwiegend der Auftraggeber/der Arbeitgeber. Die mit der Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen und ggf. Steuern zusammenhängenden Kosten können nur dann durch Rückforderung von zu viel gezahlten Vergütung verringert werden, wenn der angeblich freie Mitarbeiter nicht auf die Wirksamkeit der Vergütungsabrede vertrauen durfte. Ob der freie Mitarbeiter Vertrauensschutz genießt, ist grundsätzlich eine Einzelfallentscheidung. Die Gerichte haben jedoch anerkannt, dass ein vom freien Mitarbeiter eingeleitetes Statusfeststellungsverfahren den Vertrauensschutz entfallen lässt.

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