Platzobergrenze für stationäre Pflegeeinrichtungen rechtlich zulässig
Ihr Ansprechpartner
Rechtsanwältin Simone Scheffer
Steuerberaterin
0251 - 48204-54
s.scheffer@bpg-muenster.de
Nach dem nordrhein-westfälischen Pflegegesetz werden u.a. die betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen für teil- und vollstationäre Pflegeeinrichtungen gefördert. Dass die Voraussetzungen für die Förderung erfüllt sind, wird in der sog. Abstimmungsbescheinigung bescheinigt. Sie wird vom örtlichen Träger der Sozialhilfe erteilt. Das Verwaltungsgericht (VG) Aachen musste entscheiden, ob die Versagung einer solchen Abstimmungsbescheinigung für den Neubau des eines Seniorenzentrums rechtmäßig war. Den Antrag der Klägerin, der "Franziska Schervier" Altenpflege gGmbH, hatte die Städteregion Aachen mit der Begründung abgelehnt, dass - was zutrifft - 124 vollstationäre Pflegeplätze vorgesehen seien, die gesetzlichen Vorgaben aber nur 80 Pflegeplätze zuließen.
Die gegen die Ablehnung gerichtete Klage blieb ohne Erfolg. Zur Begründung heißt es in dem Urteil der 2. Kammer des VG Aachen vom 09. März 2017 (AZ: 2 K 596/15):
Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Abstimmungsbescheinigung, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Nach dem Wohn- und Teilhabegesetz sollten Einrichtungen nicht mehr als 80 Pflegeplätze umfassen. Bei dem von der Klägerin beabsichtigten Neubau seien dagegen 124 Plätze vorgesehen.
Die gesetzliche Vorgabe von 80 Pflegeplätzen sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es liege kein Verstoß gegen die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes) vor. Das Grundrecht gewährleiste die Freiheit der beruflichen Betätigung. Sie sei hier zwar berührt, weil der Betrieb eines Pflegeheims nur mit einer beschränkten Zahl von Pflegeplätzen zugelassen werde. Der Eingriff sei aber durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt. Die Landesregierung verfolgt das Ziel, zur Verbesserung der Wohnqualität der Bewohner von Altenpflegeeinrichtungen darauf hinzuwirken, dass keine Großeinrichtungen mehr gefördert werden, sondern kleine überschaubare und stadtteilbezogene Strukturen. Für die vollstationäre Versorgung alter Menschen sollen dezentrale, kleine, überschaubare Einrichtungen im Unterschied zu den in früheren Jahrzehnten üblichen Großeinrichtungen geschaffen werden. Durch die Schaffung kleiner Einrichtungen könne eher dafür gesorgt werden, dass der alte Mensch, der seine Wohnung verlassen müsse, zumindest in seiner gewohnten Umgebung verbleiben und von der Nähe zu seinen Angehörigen und seinem gewohnten sozialen Umfeld profitieren könne. Vor diesem Hintergrund sei die im politischen Raum umstrittene Beschränkung der Größe eines Pflegeheims verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die gesetzliche Regelung sei auch mit dem Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes) vereinbar. Der Gesetzgeber begrenze die nach der bisherigen Rechtslage bestehende Freiheit des Betreibers einer vollstationären Pflegeeinrichtung, die Größe des Betriebs nach eigenen, insbesondere wirtschaftlichen Maßstäben zu bestimmen. Dies sei jedoch aus Gründen des öffentlichen Interesses gerechtfertigt. Hier gelte nichts anderes als bei der Beschränkung der Berufsfreiheit. Das betroffene Eigentumsobjekt stehe überdies als Pflegeeinrichtung in einem sozialen Bezug und erfülle eine soziale Funktion.
Dass es ihr wirtschaftlich unzumutbar, eine Pflegeheim mit nur 80 Pflegeplätzen zu betreiben, habe die Klägerin nicht überzeugend dargelegt.
Die Klägerin kann gegen das Urteil einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen, über die das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheidet.
Hintergrund
Die Obergrenze von 80 Plätzen wurde ursprünglich bereits 2003 beschlossen und 2014 im Zuge einer grundlegenden Reform der gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Pflege vom Landtag einstimmig bestätigt. Die Platzobergrenze gilt nach § 20 Absatz 2 des Wohn- und Teilhabegesetzes von 2014 für alle Pflegeheime und stationären Einrichtungen für Menschen mit einer Behinderung. Ausnahmen von der 80-Platz-Grenze sind nur in ganz besonders begründeten Ausnahmefällen rechtlich zulässig.
Ihr Ansprechpartner
Rechtsanwältin Simone Scheffer
Steuerberaterin
0251 - 48204-54
s.scheffer@bpg-muenster.de