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Reform des Gemeinnützigkeitsrechts beschlossen

Durch die beschlossene Reform des Gemeinnützigkeitsrechts ergeben sich für steuerbegünstigte Körperschaften weitreichende Vereinfachungen und Entlastungen

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Rechtsanwalt Karsten Schulte
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Der Deutsche Bundestag hat am 16. Dezember 2020 das Jahressteuergesetz 2020 in der vom Finanzausschuss geänderten Fassung (BT-Drucksache 19/25160) beschlossen. Der Bundesrat hat dem Gesetz am 18. Dezember 2020 zugestimmt.

Teil dieses Gesetzes ist die Änderung der Abgabenordnung (AO) und hier insbesondere des Abschnitts „Steuerbegünstigte Zwecke“. Das Gesetz enthält unter anderem folgende Änderungen:

Erweiterung der gemeinnützige Zwecke in § 52 Abs. 2 Satz 1 AO

In § 52 Abs. 2 Satz 1 AO erfährt der Katalog der gemeinnützigen Zwecke einige Ergänzungen:

  • Nr. 8 wird ergänzt um „die Förderung (…) des Umweltschutzes einschließlich des Klimaschutzes,“;
  • in Nr. 10 wird u.a. am Ende eingefügt die „Förderung der Hilfe für Menschen, die auf Grund ihrer geschlechtlichen Identität oder ihrer geschlechtlichen Orientierung diskriminiert werden“;
  • in Nr. 22 wird die Förderung der Ortsverschönerung aufgenommen;
  • Nr. 23 wird ergänzt um die Förderung des Freifunks;
  • folgende Nr. 26 wird neu eingefügt: „Förderung der Unterhaltung und Pflege von Friedhöfen und die Förderung der Unterhaltung von Gedenkstätten für nichtbestattungspflichtige Kinder und Föten.“.

Änderung des § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO Selbstlosigkeit

Durch einen neu eingefügten Satz 2 werden kleinere steuerbegünstigte Körperschaften, mit jährlichen Einnahmen von nicht mehr als 45.000 Euro, von der Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung entbunden.

§ 57 AO Unmittelbarkeit

Wichtige Änderungen finden sich in § 57 AO. Es werden folgende neue Absätze eingefügt:

„(3) Eine Körperschaft verfolgt ihre steuerbegünstigten Zwecke auch dann unmittelbar im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, wenn sie satzungsgemäß durch planmäßiges Zusammenwirken mit mindestens einer weiteren Körperschaft, die im Übrigen die Voraussetzungen der §§ 51 bis 68 erfüllt, einen steuerbegünstigten Zweck verwirklicht. Die §§ 14 sowie 65 bis 68 sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass für das Vorliegen der Eigenschaft als Zweckbetrieb bei der jeweiligen Körperschaft die Tätigkeiten der nach Satz 1 zusammenwirkenden Körperschaften zusammenzufassen sind.
(4) Eine Körperschaft verfolgt ihre steuerbegünstigten Zwecke auch dann unmittelbar im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, wenn sie ausschließlich Anteile an steuerbegünstigten Kapitalgesellschaften hält und verwaltet.“

Der neu eingefügte Absatz 3 ermöglicht nun beispielsweise Servicegesellschaften, die an steuerbegünstigte Gesellschaften Wäscherei-, Reinigungs- und Hausmeisterleistungen erbringen, als steuerbegünstigt anerkannt zu werden. Die Leistungen an steuerbegünstigte Körperschaften, mit denen sie „planmäßig zusammenarbeiten“ sind dann ihrem steuerbegünstigten Zweckbetrieb zuzuordnen. In diesem Zusammenhang besteht leider noch Unsicherheit, welche Anforderungen an eine „planmäßige“ Zusammenarbeit zu stellen sind. Leistungen der steuerbegünstigten Servicegesellschaften, die sie an nicht steuerbegünstigte oder an Körperschaften erbringt, mit denen sie nicht planmäßig zusammenarbeitet, sind dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen.

Voraussetzung für die Anerkennung der Steuerbegünstigung von Gesellschaften, die nach § 57 Abs. 3 AO unmittelbar steuerbegünstigte Zwecke verfolgen, setzt gem. § 60 AO die Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen innerhalb des gesamten Veranlagungszeitraums voraus. Um die Steuerbegünstigung zu erlangen, wird es in der Regel notwendig sein, die Satzung der betreffenden Körperschaft zu ändern. Welche Regelungen die Satzung steuerbegünstigter Körperschaften zwingend enthalten muss, ist in der Mustersatzung in Anlage 1 zu § 60 AO gesetzlich geregelt. Hier fehlen bislang Regelungen für Körperschaften, die gem. des neu eingefügten § 57 Abs. 3 AO unmittelbar steuerbegünstigte Zwecke verfolgen. Es ist zu wünschen, dass die Mustersatzung kurzfristig entsprechend ergänzt wird.

Nach § 57 Abs. 4 AO können jetzt auch reine Holdinggesellschaften als steuerbegünstigt anerkannt werden. Dies ist eine erfreuliche Erleichterung für Holdingstrukturen.

Änderung des § 58 Nr. 1 und 2 AO Steuerlich unschädliche Betätigungen

Bislang war in § 58 Nr. 1 AO die Mittelweiterleitung von sog. „Förderkörperschaften“ und in Nr. 2 die Mittelweiterleitung der steuerbegünstigten Körperschaften, deren Satzungszweck nicht die Förderung anderer steuerbegünstigter Körperschaften war, geregelt. Nach Nr. 2 durften diese Gesellschaften ihre Mittel nur „teilweise“ an andere Körperschaften weiterleiten.

§ 58 Nr. 2 AO wurde nun gestrichen. Nr. 1 wurde neu gefasst und regelt nun einheitlich für Förderkörperschaften und Körperschaften, die nicht als Förderkörperschaften ausgestaltet sind, die Zulässigkeit von Mitteln in unbegrenzter Höhe. Lediglich Körperschaften, deren einziger Zweck die Förderung anderer Körperschaften ist, müssen dies in ihrer Satzung geregelt haben.

Neuer § 58a AO Vertrauensschutz

In einem neu eingefügten § 58a AO ist nun geregelt, dass die Körperschaft, die nach § 58 Nr. 1 AO Mittel weiterleitet, darauf vertrauen, dass die empfangende Körperschaft steuerbegünstigt ist und die Mittel für steuerbegünstigte Zwecke verwendet, wenn ihr zum Zeitpunkt der Mittelweiterleitung ein entsprechender Bescheid der Empfängerkörperschaft vorliegt und ihr nicht die Unrichtigkeit dieses Bescheides bekannt ist oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war und sie nicht eine Verwendung für nicht steuerbegünstigte Zwecke durch die empfangende Körperschaft veranlasst hat.

Änderung des § 64 Abs. 3 AO Steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe

In § 64 Abs. 3 wird die Freigrenze für die Besteuerung steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe von 35 000 Euro auf 45 000 Euro angehoben.

Änderung des § 68 AO Einzelne Zweckbetriebe

In § 68 Nr. 1 AO wird ein neuer Buschstabe c) eingeführt, der Einrichtungen zur Versorgung, Verpflegung und Betreuung von Flüchtlingen unter den Voraussetzungen des § 66 Absatz 2 zu Zweckbetrieben macht.

§ 68 Nr. 4 AO wird um die Fürsorge für psychische und seelische Erkrankungen bzw. Behinderungen ergänzt.

Änderung der Übungsleiterpauschale, § 3 Nr. 26 EStG

Die Ehrenamtspauschale in § 3 Nr. 26 EStG wird von 2.400 Euro auf 3.000 Euro angehoben.

Inkrafttreten

Die Änderungen treten gem. Art. 50 Abs. 1 des Gesetzes am Tag nach der Gesetzesverkündung in Kraft.

Auswirkungen

Die verabschiedeten Änderungen des Gemeinnützigkeitsrechtes haben weitrechende Auswirkungen. Insgesamt ergeben sich durch die Ergänzungen im Bereich der gemeinnützigen Zwecke und der steuerbegünstigten Zweckbetriebe, aber auch durch die Entbindung kleiner Körperschaften von der Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung und die Erhöhung der Freigrenze für die Besteuerung steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe erfreuliche Erleichterungen für steuerbegünstigte Körperschaften.

Weitreichende Erleichterungen ergeben sich vor allem auch durch die Änderungen des § 57 AO. Hierdurch werden zukünftig insbesondere Servicegesellschaften als steuerbegünstigt anerkannt werden können. Bei Holdingstrukturen entfällt die Notwendigkeit, bei der Holdinggesellschaft einen Zweckbetrieb zu installieren.

 

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