Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen nennt Bedingungen für Gewinnaufschläge in Pflegesatzverhandlungen
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Einrichtungsträger von Pflegeheimen und ambulanten Diensten kämpfen seit mehreren Jahren um die Durchsetzung eines Gewinnzuschlages im Rahmen der Pflegesatzverhandlungen nach § 85 SGB XI. Bundesweit wurde die schriftliche Begründung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG) mit Spannung erwartet. Das LSG verkündet nun, dass die Urteilsgründe der Entscheidung vom 6. April 2017 auf andere Bundesländer übertragbar sind, auch wenn in diesen die Pflegesatzverfahren unterschiedlich gehandhabt werden. Grund dafür ist, dass weder das Gesetz noch das BSG bisher konkrete Angaben zur Ermittlung der Höhe des Gewinnaufschlages getroffen haben.
Seit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 29. Januar 2009 wurde das Thema diskutiert. In dieser stellte das BSG neben dem neuen Pflegesatzverfahren und dem zweistufigen Prüfschema auch den Gewinnaufschlag als Teil der Vergütung vor.
Durch eine Grundsatzentscheidung vom 16. Mai 2013 hat das BSG den Anspruch auf einen Gewinnzuschlag weiter bekräftig. Hier gab das BSG zu verstehen, dass der Zuschlag dem Vergütungsinteresse und damit auch der Gewinnchance einer Einrichtung zuzurechnen sei. Somit soll diese keine separat zu ermittelnde Rechnungsgröße sein, sondern Bestandteil der Vergütung. Offen blieb jedoch, wie hoch der Gewinnzuschlag ausfallen kann. Die Beurteilung der Gewinnchance wurde damit weiterhin der Verhandlung der Vertragspartner oder im Streitfall der Entscheidung der Schiedsstelle überlassen. Nach dieser Rechtsprechung sind Pflegesatzverhandlungen und eventuell nachfolgende Schiedsverfahren nach dem zweistufigen Prüfungsmuster durchzuführen. Somit müssen anfangs die voraussichtlichen Kosten der Einrichtung für die erbrachten Leistungen nach § 85 Abs. 3 Satz 2 geschätzt werden. Anschließend wird die Prüfung der Leistungsgerechtigkeit nach § 84 Abs. 2 Satz 1 und 4 SGB XI vorgenommen.
Zunächst entschied die SGB XI- Schiedsstelle in NRW in mehreren Schiedsverfahren aus dem Caritasbereich auf 4 Prozent Unternehmergewinn; der Landschaftsverband als zuständiger Kostenträger klagte dagegen. In der Rechtsprechung vom 6. April 2017 stellte das LSG fest, dass die Schiedsstelle ein Interessenausgleich durch ein unabhängiges Gremium darstellt und im Rahmen ihres Bemessungsspielraums neben der Festsetzung der Pflegesätze auch die Grundlage zur Realisierung des Gewinnaufschlags setzen kann. Dies kann entweder über einen festen umsatzbezogenen Prozentsatz oder über die Auslastungsquote gesteuert werden. Wird die Auslastungsquote gewählt, so muss diese im externen Vergleich realistisch zu anderen Einrichtungen angesetzt werden, damit ein angemessener Unternehmenserfolg realisiert werden kann.
Bei dem prozentualen Aufschlag auf die Gesamtkosten ist das Gericht der Auffassung, dass die jeweiligen Kostenstrukturen der Pflegeeinrichtung ermittelt werden und auch die allgemeinen unternehmerischen Risiken, der die Einrichtung ausgesetzt ist, analysiert werden sollen. Für dies sollte es eine gutachterliche Stellungnahme von einem unabhängigen Experten geben, die sich mit den Kosten und Risiken der Einrichtung auseinandersetzt. Die Urteilsbegründung stellt auch dar, dass es nicht für jede Einrichtung eine spezifische Ermittlung der Strukturen und Risiken geben muss. In einigen Fällen reicht es aus, die Einrichtung nach der örtlichen Lage oder anderen Merkmalen einzuordnen. Dies lässt sich allerdings erst durch die durchzuführenden Ermittlungen feststellen. Des Weiteren wurde auch die Aussage des Landschaftsverbandes, dass Gewinnchancen besonders bei einer Auslastungsquote von 98 Prozent erzielt werden können vom Gericht abgelehnt. Neben diesem Aspekt wurde auch die pauschale Festsetzung des vierprozentigen Gewinnaufschlags nach § 44 SGB I als sachwidrig verurteilt.
Für künftige Ermittlungen der Gewinnaufschläge sei es nun erforderlich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Pflegeeinrichtungen und die Kostenstrukturen zu ermitteln, um daraus festzustellen, welche wirtschaftlichen Risiken die Pflegeheime ausgesetzt sind, um diese anschließend zu bewerten und in den Gewinnaufschlag mit einfließen zu lassen.
Durch das Dritte Pflegestärkungsgesetz – mit Wirkung zum 1. Januar 2017 – wird nun auch gesetzlich festgelegt, dass Pflegeheime Ansprüche auf eine angemessene Vergütung ihres Unternehmensrisikos haben.
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