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Jugendherbergen: Steuerliche Einordnung von Leistungen an Alleinreisende

Das BMF hat mit Schreiben vom 18. Januar 2018 auf Basis der jüngsten Rechtsprechung des BFH vom 10. August 2016 (V R 11/15) eine Anpassung für die Zweckbetriebsvorschrift nach § 68 Nr. 1 Buchstabe b AO für den Anwendungserlass festgehalten.

Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) hat mit Schreiben vom 18. Januar 2018 auf Basis der jüngsten Rechtsprechung des BFH vom 10. August 2016 (V R 11/15, BStBl 2018 II) folgende Anpassung für die Zweckbetriebsvorschrift nach § 68 Nr. 1 Buchstabe b AO für den Anwendungserlass festgehalten:

„Leistungen, die von Jugendherbergen an allein reisende Erwachsene (Personen nach Vollendung des 27. Lebensjahres) erbracht werden, begründen einen selbständigen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb nach
§§ 14 AO, 64 AO.“

Die bisherige Geringfügigkeitsgrenze von 10 % ist damit nicht mehr anzuwenden. Diese Regelung ist für Veranlagungszeiträume ab 2018 anzuwenden.

Grundsätzlich stehen steuerbegünstigte Körperschaften regelmäßig vor der Fragestellung, inwieweit ihre angebotenen Leistungen als steuerbegünstigt anzusehen sind oder eine Zuordnung zum steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu erfolgen hat.

Leistungen von Kindergärten, Kinder- und Jugendheimen sowie von Jugendherbergen können in der Regel nach § 68 Nr. 1 Buchstabe b AO als steuerbegünstigter Zweckbetrieb behandelt werden. Dabei ist jedoch speziell darauf zu achten, an welche Personengruppen die entsprechenden Leistungen erbracht werden. In dieser Vorschrift gelten Personen vor Vollendung des 27. Lebensjahres als Jugendliche und damit als begünstigter Personenkreis.

Sofern Leistungen an andere Personengruppen, die nicht zum begünstigten Kreis gehören, ergehen, war es bislang unter bestimmten Bedingungen möglich, diese ebenfalls dem steuerbegünstigten Zweckbetrieb zuzuordnen.

Nach bisheriger Rechtsprechung des BFH vom 18. Januar 1995 (V R 139/92) konnte die Beherbergung von allein reisenden Erwachsenen einen selbständigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb darstellen, sofern eine Abgrenzung zu Leistungen an Jugendliche bzw. Familien möglich war. Sofern eine entsprechende Trennung hingegen nicht darstellbar war, so verlor die Jugendherberge ihre Zweckbetriebseigenschaft nicht, wenn die Leistungen nachweislich zu maximal 10 % (Geringfügigkeitsgrenze) an den nicht begünstigten Personenkreis erbracht wurden.

Auf dieser Basis hielt das BMF in der Zweckbetriebsvorschrift bisher fest, welches nun ab dem Veranlagungszeitraum 2018 nicht mehr anzuwenden ist:

„Jugendherbergen verlieren ihre Zweckbetriebseigenschaft nicht, wenn außerhalb ihres satzungsmäßigen Zwecks der Umfang der Beherbergung der allein reisender Erwachsender 10% der Gesamtbeherbergung nicht übersteigt.“

Der BFH hat mit Urteil vom 10. August 2016 die Sachlage erneut aufgegriffen und vor dem Hintergrund der nachfolgenden aufgeführten Gründe entschieden.

Sachverhalt des BFH-Urteils vom 10. August 2016

Ein als gemeinnützig anerkannter Verein hat eine Jugendherberge unterhalten und in diesem Zusammenhang sowohl Leistungen an Jugendgruppen/Schulklassen sowie an erwachsene Einzelreisende über 27 Jahre erbracht. Der Anteil der Übernachtungen der allein reisenden Erwachsenen hat 5,3 % betragen. Für die angebotenen Leistungen an erwachsene Alleinreisende erhob der Verein für Übernachtungen einen entsprechenden Zuschlag sowie für sonstige zusätzlich angebotene Leistungen einen höheren Preis.

Unter der Prämisse der Zweckbetriebszuordnung (Anteil unter 10 %) hat der Verein die Leistungen an allein reisende Erwachsene dem ermäßigten Steuersatz von 7 % nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG unterworfen.

Das Finanzamt hat dies, vor Allem vor dem Hintergrund der klaren Abgrenzung der Leistungen an Jugendliche/Familien sowie allein reisende Erwachsende im Wege der Erhebung von Zuschlägen und höheren Preisen, kritisch hinterfragt. Damit seien die entsprechenden Leistungen an allein reisende Erwachsene als selbständiger steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu werten. Der ermäßigte Steuersatz würde keine Anwendung finden.

Das Finanzamt hatte gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) Revision eingelegt. Das FG hatte die Auffassung vertreten, dass die angebotenen Leistungen nach ihrer Art und dem Wesen vergleichbar gewesen wären und damit der ermäßigte Steuersatz mangels Abgrenzung möglich sei.

Gründe des BFH-Urteils vom 10. August 2016

Der BFH hat in seiner Urteilsfindung darauf verwiesen, dass der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG ausschließlich zur Anwendung kommen kann, sofern es sich um Leistungen handelt, die dem steuerbegünstigten Zweckbetrieb zuzuordnen seien.

Leistungen von Jugendherbergen seien zwar unter der Norm nach § 68 Nr. 1 Buchstabe b AO zu fassen, jedoch habe bereits die bisherige Rechtsprechung des BFH mit Urteil vom 18. Januar 1995 auf das Tatbestandsmerkmal der Abgrenzbarkeit verwiesen. Sofern eine Abgrenzung der Leistungen an Jugendliche bzw. Schüler sowie an allein reisende Erwachsene möglich sei, so würde ein selbständiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vorliegen. Ausschließlich in den Fällen, in denen eine Trennung der beiden Bereiche ausgeschlossen wäre, könne man unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit (max. 10 %) eine unschädliche Zweckbetriebszuordnung vornehmen.

Zudem sei in unionsrechtlicher Hinsicht die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG auf Leistungen anerkannter gemeinnütziger Einrichtungen für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit beschränkt. Eine Anwendung umfasse damit nicht Leistungen an andere
(nicht begünstigte) Personengruppen.

Im Weiteren würde sich neben der bisherigen bereits angesprochenen möglichen Abgrenzbarkeit eine Trennung bereits aus der Altersstruktur der Übernachtungsgäste ergeben.

Fazit / Empfehlung

Vor dem Hintergrund der Anpassung der Zweckbetriebsvorschrift nach § 68 Nr. 1 Buchstabe b AO durch das BMF mit Schreiben vom 18. Januar 2018 möchten wir Ihnen empfehlen, die entsprechenden Leistungen im Bereich der Jugendherbergen dahingehend zu überprüfen. Die Leistungen an Jugendliche/Schüler sowie an erwachsene Alleinreisende sind damit getrennt voneinander ertragsteuerlich einzuordnen, da eine Abgrenzbarkeit regelmäßig vorliegt. Die bisherige Geringfügigkeitsgrenze von 10% findet keine Anwendung mehr.

Dabei möchten wir Sie speziell darauf verweisen, dass die ertragsteuerliche Einordnung ebenfalls umsatzsteuerliche Auswirkungen entfaltet.

Sofern Sie hierzu Fragen haben bzw. bei der steuerlichen Einordnung der Leistungen in diesem Bereich Unterstützung benötigen, sprechen Sie uns gerne an.

Ihre Ansprechpartnerin:

Stephanie Schlürmann-Birkenfeld
Bachelor of Arts

Steuerberaterassistentin in der Steuerabteilung
Tel. 0251/48204-74
e-Mail: s.schluermann-birkenfeld@bpg-muenster.de

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