Grundsatzentscheidungen zur umsatzsteuerlichen Organschaft
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Die Organschaft ist von großer Bedeutung für Unternehmensgruppen ohne Recht auf Vorsteuerabzug, wie etwa im Krankenhaus- und Pflegebereich. Die Organschaft ermöglicht es den Unternehmen, untereinander Leistungen zu erbringen, die nicht steuerpflichtig sind und damit nicht zur Entstehung von Vorsteuerbeträgen führen, die wegen des fehlenden Rechts auf Vorsteuerabzug nicht abziehbar wären. Mit vier Urteilen aus Dezember 2015 hat der V. Senat des BFH grundsätzliche Fragen im Zusammenhang mit der umsatzsteuerlichen Organschaft geklärt.
1. Rechtsprechungsänderung: Organschaft mit Tochter-Personengesellschaft nun möglich (V R 25/13)
Streitpunkt in diesem Verfahren war, ob eine Tochter-Personengesellschaft Organgesellschaft sein kann. In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall erbrachte eine Aktiengesellschaft Leistungen an eine ein Altenheim betreibende Kommanditgesellschaft, an der sie beteiligt war.
Bislang musste es sich bei der Tochtergesellschaft um eine juristische Person handeln. Entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung lässt der BFH nun eine Organschaft auch mit Tochter-Personengesellschaften zu. Voraussetzung ist, dass Gesellschafter der Personengesellschaft nur der Organträger und andere vom Organträger finanziell beherrschte Gesellschaften sind. Konzernfremde Personen dürfen nicht beteiligt sein.
2. Weiterhin keine Organschaft mit Nichtunternehmern (Hoheitsträgern) möglich (V R 67/14)
Streitgegenstand dieses Verfahrens war, ob eine Organschaft auch mit einem Nichtunternehmer gebildet werden kann.
Entgegen einer aus dem Unionsrecht abgeleiteten Sichtweise hält der BFH daran fest, dass der Organträger Unternehmer sein muss. Eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die nicht unternehmerisch tätig ist, kann daher die Vorteile der Organschaft durch die Nichtbesteuerung der von den Tochtergesellschaften bezogenen Leistungen nicht in Anspruch nehmen.
Im Streitfall hatte eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die nicht unternehmerisch tätig war, bislang bei sich beschäftigtes Personal auf eine Tochtergesellschaft in der Rechtsform der GmbH ausgegliedert. Die GmbH überließ ihrer Gesellschafterin so dann das Personal gegen Aufwendungsersatz. Beide gingen von einer Nichtsteuerbarkeit der Personalgestellung aufgrund einer zwischen ihnen bestehenden Organschaft aus.
Dem widersprach der BFH. Bei der Organschaft handele es sich um eine Verwaltungsvereinfachung, die eine eigene Unternehmerstellung des Organträgers voraussetze. Mangels eigener Unternehmerstellung ist die juristische Person des öffentlichen Rechts nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn ihr Personal überlassen wird. Wäre die Bildung einer Organschaft auch ohne eigene Unternehmerstellung möglich, käme es zu einer Umgehung dieses Abzugsverbots.
3. Weiterhin keine Organschaft zwischen Schwestern-Gesellschaften möglich (V R 15/14)
Gegenstand der Entscheidung war, ob eine GmbH mit ihrer Schwester-Gesellschaft GmbH & Co. KG eine Organschaft bilden kann.
Es ging um eine GmbH, die an eine Kommanditgesellschaft Leistungen erbracht hat. Beide Gesellschaften hatten dieselben Gesellschafter und waren daher sogenannte Schwester-Gesellschaften. Die Kommanditgesellschaft betrieb ein Wohn- und Pflegeheim.
Der BFH hält - obwohl das Unionsrecht lediglich eine enge Verbundenheit vorschreibt - weiter daran fest, dass die Organschaft eine eigene Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an der Tochtergesellschaft voraussetzt und dass zudem im Regelfall eine personelle Verflechtung über die Geschäftsführung der Personengesellschaft bestehen muss.
Damit bleibt es beim Erfordernis einer Beherrschung der Tochtergesellschaft durch den Organträger. Der BFH lehnt es ausdrücklich ab, die Organschaft aufgrund des Unionrechts aufgrund auf lediglich eng miteinander verbundene Personen zu erweitern. Eine Organschaft zwischen Schwestergesellschaften bleibt damit weiterhin ausgeschlossen.
4. Auswirkungen auf Unternehmensübertragungen (V R 36/13)
Die Organschaft kann auch bei Unternehmensübertragungen von Bedeutung sein. Unternehmensübertragungen sind als sog. Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht steuerbar. Dies setzt grundsätzlich die Übertragung auf einen Unternehmens-erwerber voraus. Eine Aufspaltung des einheitlichen Unternehmens auf zwei Erwerber ist bei einer bloßen Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern hingegen nicht begünstigt.
Bei Übertragung eines Unternehmens zum Teil auf eine Betriebs- und zum Teil auf eine Besitzgesellschaft liegt nach Ansicht des BFH keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor, wenn Betriebs- und Besitzgesellschaft nicht aufgrund einer umsatzsteuerlichen Organschaft als ein Unternehmer anzusehen sind, weil sie Schwester-Gesellschaften sind.
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall übertrug ein Unternehmer sein Unternehmen auf zwei Personengesellschaften. Zwischen beiden Personengesellschaften bestand eine Betriebsaufspaltung, aber kein Über- und Unterordnungsverhältnis. Der Unternehmer übertrug sein Anlagevermögen auf die Besitz-Personengesellschaft und das übrige Unternehmensvermögen auf die Betriebs-Personengesellschaft, die die bisherige Unternehmenstätigkeit fortsetzte.
Der BFH bejahte hinsichtlich des Verkaufs an die Betriebs-Personengesellschaft eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung. Dagegen stelle die Übertragung des Anlagevermögens auf die Besitz-Personengesellschaft nach Auffassung des BFH keine Geschäftsveräußerung dar, sie war daher umsatzsteuerbar. Als Begründung führte der BFH aus, dass die Besitz-Personengesellschaft das Unternehmen nicht fortführe und sie das Anlagevermögen auch nicht an die Betriebs-Personengesellschaft vermiete, sondern es an diese unentgeltlich überlasse.
Hätte zwischen den beiden Personengesellschaften eine umsatzsteuerliche Organschaft bestanden, wären beide Personengesellschaften als ein Erwerber anzusehen gewesen und beide Verkäufe wären nicht umsatzsteuerbar gewesen.
Die Organschaft scheitert daran, dass weder die Besitz-Personengesellschaft die Betriebs-Personengesellschaft beherrscht noch umgekehrt. Es handelt sich um zwei Schwester-Gesellschaften, zwischen denen keine Organschaft bestehen kann.
5. Hinweise für die Praxis:
Hintergrund für die Urteile des V. Senats ist die Rechtsprechung des EuGH zur umsatzsteuerlichen Organschaft in der Rechtssache Larentia und Minerva (C-108/14, C-109/14) auf die Vorlage des XI. Senats des BFH hin. Es ist davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung zunächst die anhängigen Entscheidungen des XI. Senats abwartet und dann ein klarstellendes BMF-Schreiben erlassen wird.
Für Personengesellschaften haben sich im Hinblick auf die umsatzsteuerliche Organschaft neue Möglichkeiten aufgetan. Sie können sich ab sofort auf die neue Rechtsprechung berufen.
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