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Erfahrung schafft Vertrauen

EuGH: Wiederheirat eines Chefarztes kein Grund zur Kündigung

EuGH bestätigt die in der Egenberger-Entscheidung begonnene Linie in Bezug auf das Verhältnis von staatlichen Gerichten zum kirchlichem Arbeitsrecht.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich erneut mit dem Verhältnis der Kirche zum staatlichen Arbeitsrecht befasst. Im April dieses Jahres hatte der EuGH bereits entschieden, dass die Zugehörigkeit zu einer Kirche nicht für alle Stellenangebote der (evangelischen) Kirche zur Voraussetzung einer Einstellung gemacht werden kann, sondern nur für solche Stellen, die eine besondere Nähe zum Verkündigungsauftrag der Kirchen haben. Zudem gelte ein objektiver Prüfungsmaßstab, der durch die staatlichen Gerichte kontrolliert werden kann (EuGH, C-414/16 Egenberger).

Sachverhalt

In der nun ergangenen Entscheidung war dem Chefarzt eines katholischen Krankenhauses gekündigt worden, der nach Scheidung von seiner ersten Ehefrau seine neue Lebensgefährtin geheiratet hat. Nachdem der Arbeitgeber hiervon Kenntnis erlangt hatte, kündigte das Krankenhaus unter Hinweis darauf, der Chefarzt habe durch die „Eingehung einer nach kanonischem Recht ungültigen Ehe in erheblicher Weise gegen seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis verstoßen“.

Zunächst war die hiergegen gerichtete Klage erfolgreich: alle Instanzen bis zum Bundesarbeitsgericht (BAG) hielten die Kündigung für unwirksam, und zwar aus Gründen der Gleichbehandlung: wenn der (kirchliche) Arbeitgeber nicht-konfessionellen Mitarbeitern nicht kündige, wenn sie sich wiederverheirateten, dürfe er dies auch bei katholischen Mitarbeitern nicht.

Bundesverfassungsgericht: Selbstverwaltungsrecht nicht hinreichend gewürdigt

Das vom Arbeitgeber angerufene Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sah das Selbstverwaltungsrecht der Kirche zu wenig gewürdigt. Die Kirchen bestimmten selbst, welche Verpflichtungen sie für so wesentlich erachten, dass ein Verstoß dagegen als erhebliche Pflichtverletzung des Arbeitsvertrages gewertet wird. Diese Festlegung sei durch die staatlichen Gerichte nicht zu beanstanden, solange hierdurch kein Widerspruch zu grundlegenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen entstehe.

Das Bundesverfassungsgericht gab deshalb der Verfassungsbeschwerde statt und hob die Urteile auf, das Verfahren wurde an das Bundesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses wiederum legte den Sachverhalt dem EuGH vor verbunden mit der Frage, ob eine „von der katholischen Kirche gehaltene Kapitalgesellschaft des Privatrechts … von ihren Beschäftigten verlangen könne, dass sie sich loyal und aufrichtig im Sinne des Ethos dieser Kirche verhielten.“

EuGH: Besondere Anforderungen nur für besondere Positionen

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stellte sich auf den Standpunkt, dass besondere Loyalitätsanforderungen im Arbeitsvertrag nur dann gerechtfertigt sein können, wenn diese auch beruflich begründet sind, also mit der konkreten Tätigkeit des Stelleninhabers im Zusammenhang stehen. Inwiefern die Tätigkeit die besondere Loyalitätsanforderung rechtfertige, ist in vollem Umfang durch die staatlichen Gerichte überprüfbar.

Fazit

Im Ergebnis bestätigt sich damit die Richtung, die der EuGH mit der Egenberger-Entscheidung eingeschlagen hat. Ein eigenständiger und durch die staatlichen Gerichte nicht überprüfbarer Bereich, in dem die Kirche selbst bestimmen kann, welche Anforderungen sie an ihre Mitarbeiter stellt, verbleibt damit nicht mehr. Zwar steht es den Kirchen nach wie vor frei, von ihren Mitarbeitern die Einhaltung der jeweiligen kirchlichen Regeln zu verlangen – allerdings nur dort, wo dies auch für die berufliche Tätigkeit selbst Bedeutung hat. Zudem sind die Träger aufgefordert, diese besonderen Anforderungen in Bezug auf die konkrete Stelle (nachvollziehbar) zu begründen: nur mit einer entsprechenden Begründung werden ggfls. die staatlichen Gerichte in die Lage versetzt, die Entscheidung zu prüfen und zu bestätigen.

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