Bewertung von Pensionsrückstellungen – Deutscher Bundestag beschließt Neuregelung für die Bewertung von Altersversorgungsverpflichtungen
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Der Bundesrat hat am 26. Februar 2016 dem vom Deutschen Bundestag beschlossenen Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften zugestimmt. In Art. 7 und 8 des vorgenannten Gesetzes finden sich die Anpassungen des HGB zu § 253 sowie zu Art. 75 EGHGB. Die Änderungen des HGB traten mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 17. März 2016 in Kraft. Damit wird die handelsrechtliche Bewertung der Pensionsrückstellungen neu geregelt. Die Änderung ist verpflichtend für den Jahresabschluss 2016 zu beachten, kann allerdings wahlweise auch bereits für 2015 berücksichtigt werden. Hieraus ergeben sich bilanzpolitische Möglichkeiten für die Unternehmen.
Nach § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB sind langfristige Rückstellungen mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr mit dem durchschnittlichen Zinssatz der letzten sieben Jahre abzuzinsen. Diese Regelung findet auch weiterhin Anwendung, jedoch wird der relevante Zinsermittlungszeitraum bei Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen (Pensionsrückstellungen) von bisher sieben Jahre auf zehn Jahre ausgeweitet. Diese Änderung betrifft allerdings nicht die vergleichbar langfristig fälligen Verbindlichkeitsrückstellungen.
Unter der Restlaufzeit ist bei Pensionsverpflichtungen und vergleichbaren langfristig fälligen Verpflichtungen (mittelbare Verpflichtungen) nicht die voraussichtliche Dauer bis zur vollständigen Abwicklung, sondern die Duration im Sinne eines versicherungsmathematischen Schwerpunkts aller künftigen Zahlungen an den Versorgungsberechtigten zu verstehen. Die Ermittlung und Bekanntgabe der Abzinsungszinssätze erfolgt nach Maßgabe der Rückstellungsabzinsungsverordnung (RückAbzinsV) durch die Deutsche Bundesbank (§ 253 Abs. 2 Satz 4, 5 HGB).
§ 253 Abs. 2 Satz 2 HGB erlaubt es, bei der Ableitung des Abzinsungszinssatzes für Altersversorgungsverpflichtungen oder vergleichbare langfristig fällige Verpflichtungen von einer pauschalen Restlaufzeit (mittlere Duration) von 15 Jahren auszugehen (sog. Vereinfachungsregelung). Diese gesetzlich legitimierte Durchbrechung des Einzelbewertungsgrundsatzes (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB) soll es dem Bilanzierenden ermöglichen, auf die Ermittlung eines individuellen Abzinsungszinssatzes je nach Restlaufzeit der künftigen Zahlungen zu verzichten.
Es ist bei Pensionsverpflichtungen und vergleichbaren langfristig fälligen Verpflichtungen auch in Fällen kürzerer oder längerer Restlaufzeiten als zulässig zu erachten, bei der Bestimmung des anzuwendenden Abzinsungszinssatzes gemäß § 253 Abs. 2 Satz 2 HGB von einer pauschalen Restlaufzeit von 15 Jahren auszugehen. Es empfiehlt sich jedoch, im Falle deutlich kürzerer (z.B. ältere Versorgungsempfänger im Bestand) bzw. deutlich längerer Restlaufzeiten als 15 Jahre bei der Bestimmung des anzuwendenden Abzinsungszinssatzes von der tatsächlichen (kürzeren oder längeren) Restlaufzeit auszugehen. Dabei darf die Restlaufzeit jeweils einheitlich für sachlich abgegrenzte Teilkollektive von Versorgungsberechtigten bestimmt werden.
Soweit die Vereinfachungsregelung i.S.d. § 253 Abs. 2 Satz 2 HGB nicht in Anspruch genommen wird, dürfen auch Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen oder vergleichbare langfristig fällige Verpflichtungen mit einer Restlaufzeit von einem Jahr oder weniger abgezinst werden, sofern der angewandte Abzinsungszinssatz in einer den Anforderungen der RückAbzinsV gleichwertigen Weise ermittelt wird.
Für die Bewertung zum 31. Dezember 2015 steigt der von der Deutschen Bundesbank ermittelte Abzinsungssatz für Pensionen von rd. 3,89 % (auf Basis eines Sieben-Jahres-Durchschnitts) auf rd. 4,30 % (auf Basis eines Zehn-Jahres-Durchschnitts). Dies sorgt in der Regel – abhängig von den Verpflichtungen der jeweiligen Gesellschaft – für deutliche Entlastungen. Eine Erhöhung des handelsrechtlichen Rechnungszinssatzes um einen Prozentpunkt wird den Erfüllungsbetrag der Pensionsverpflichtungen zwischen 10 % bis 20 % vermindern.
Das mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) im Jahr 2009 ursprünglich verfolgte Ziel, die Rückstellungsbewertung im handelsrechtlichen Jahresabschluss (unabhängig vom steuerrechtlichen Rechnungszins von 6,0 %) mit einem 7-jährigen Durchschnittszins sukzessive den tatsächlichen Pensionsverpflichtungen des Unternehmens anzupassen, wird nunmehr – vor dem Hintergrund der anhaltenden Niedrigzinsphase – mit der Umstellung auf einen 10-jährigen Durchschnittszins erst in späteren Jahren erreicht.
Unter der Annahme, dass die Renditen von Unternehmensanleihen, die letztlich maßgeblich für die Höhe der zu verwendenden Zinssätze sind, auf einem unverändert niedrigen Niveau verbleiben, ist auch bei einem 10-jährigen Durchschnittszins in den kommenden Jahren von weiterhin deutlich sinkenden Zinssätzen für die 15-jährige Restlaufzeit auszugehen. Die HEUBECK AG hat mit Stand vom 4. Februar 2016 folgende Rechnungszinssätze hochgerechnet:
Allerdings ist festzustellen, dass insbesondere im Vorjahresvergleich der Sprung von 4,53 % (31.12.2014) hin zu 4,30 % (wahlweise zum 31.12.2015) deutlich moderater ausfällt, als zum bisherigen Rechnungszins von 3,89 %.
Bei der Neuregelung handelt es sich hinsichtlich der Bewertung der Pensionsrückstellungen um kein Wahlrecht. Es ist daher nicht möglich, für Geschäftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2015 beginnen, weiterhin von der „alten“ Bewertungsmethodik Gebrauch zu machen.
Die Neuregelung betrifft ausschließlich die Bewertung von mittelbaren und unmittelbaren Altersversorgungsverpflichtungen (Pensionsrückstellungen). Sie nicht für vergleichbare langfristige Rückstellungen oder sonstige Rückstellungen. Demnach sind bspw. Rückstellungen für Altersteilzeit oder Beihilferückstellungen weiterhin mit dem Zinssatz auf Basis der Sieben-Jahres-Durchschnittsberechnung zu bewerten. Nichts anderes gilt für andere langfristige Rückstellungen, die einer gesetzlichen Abzinsungspflicht unterliegen, wie z. B. Gewährleistungsrückstellungen, Entsorgungsverpflichtungen, Rückstellungen für Rekultivierungen oder Rückstellungen für Aufbewahrungspflichten.
In der Folge sind künftig für die Bewertung langfristiger Rückstellungen unterschiedliche Zinssätze zu ermitteln. Dies bedeutet für die Praxis insoweit einen zusätzlichen Aufwand, da unterschiedliche Zinssatzermittlungen im handelsrechtlichen Jahresabschluss nebeneinander beachtet werden müssen.
Durch die Anwendung der neuen Regelung kommt es zunächst zu einer Ergebnisentlastung der Bilanzierenden. Aus der Umstellung von der alten Berechnungsmethodik auf die neue Methodik ergibt sich ein einmaliger Entlastungsertrag aus dem im Vergleich zur bisherigen Rechtslage geringeren Ansatz der Rückstellungen. Da sich dieser Ertrag ausschließlich aus einer geänderten gesetzlichen Neuregelung ergibt, wird gem. § 253 Abs. 6 Satz 2 HGB n. F. der sich aus der Neubewertung der Pensionsrückstellungen ergebende Unterschiedsbetrag ausschüttungsgesperrt, sofern die frei verfügbaren Rücklagen zuzüglich Gewinnvortrag und abzüglich Verlustvortrag diesem nicht mindestens entsprechen. Von der Systematik her entspricht die gesetzliche Ausschüttungssperre damit der bereits seit BilMoG aus § 268 Abs. 8 HGB bekannten Ausschüttungssperre. Künftig findet damit eine verpflichtende Ausschüttungssperre Eingang in das Handelsrecht zwingend für alle Unternehmen, die Pensionsverpflichtungen in ihrem Jahresabschluss bilanzieren.
Für die Bestimmung der jeweils zum Bilanzstichtag zu beachtenden bzw. anzugebenden Ausschüttungssperre ist auf den Differenzbetrag zwischen dem bilanziellen Ansatz der Pensionsrückstellungen auf Basis des Zehn-Jahres-Durchschnitts und der bisherigen Bewertung auf Basis des Sieben-Jahres-Durchschnitts abzustellen. Folglich müssen zu jedem Stichtag beide Werte ermittelt werden. Insoweit verändert sich die Höhe der Ausschüttungssperre nach
§ 253 Abs. 6 Satz 2 HGB immer in der Höhe, wie sich die Differenz zwischen den beiden errechneten Rückstellungsbeträgen verändert. Ist der Unterschiedsbetrag (in Zukunft) negativ, entfällt die Ausschüttungssperre.
Die Ausschüttungssperre gilt grundsätzlich für alle Gesellschaften und ist nicht auf die Rechtsform der Kapitalgesellschaft beschränkt, da sie in § 253 Abs. 6 HGB geregelt ist und damit vor den spezifischen Regelungen der §§ 264 ff. HGB für Kapitalgesellschaften und diesen gleichgestellte Personenhandelsgesellschaften.
Der sich aus der unterschiedlichen Bewertung der Altersversorgungsverpflichtungen auf Basis eines Sieben-Jahres- bzw. Zehn-Jahres-Durchschnittszinssatzes ergebende Unterschiedsbetrag ist (nach § 253 Abs. 6 Sätze 1 und 3 HGB n. F.) nicht nur im Jahr der Umstellung, sondern zu jedem Abschlussstichtag im Anhang oder unter der Bilanz gesondert darzustellen. Die entsprechenden Angaben zu beiden Bewertungen sind auch für die Rückstellungen erforderlich, die aufgrund der Nichtausübung des Passivierungswahlrechts nach Art. 28 EGHGB nur im Anhang angegeben werden (z. B. mittelbare Zusagen und sog. Altzusagen). In Zukunft müssen die Unternehmen damit für jede Rückstellung bzw. Anhangangabe zwei Berechnungen vornehmen. Aufgrund des mit der gesetzlichen Neuerung verbundenen erhöhten Informationsbedarfs hinsichtlich der bilanziell erfassten Pensionsverpflichtungen ist die Angabe zu der Differenz zwischen dem Zehn-Jahres-Wert und dem Sieben-Jahres-Wert in allen Fällen im Anhang anzugeben. Die Angabepflichten im Anhang gelten hierbei sowohl für den Einzel- als auch für den Konzernabschluss.
Nach Art. 75 Abs. 6 Satz 1 EGHGB n. F. sind die Neuregelungen verpflichtend für Geschäftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2015 enden, anzuwenden. Dies gilt gleichermaßen für den Jahresabschluss und den Konzernabschluss. In Art. 75 Abs. 7 EGHGB ist ein Wahlrecht zur vorzeitigen Anwendung der Neuregelung für den Jahres-/Konzernabschluss bereits für das Geschäftsjahr 2015 enthalten. Die Kapitalgesellschaften haben zur Erläuterung der Ausübung der Anwendung des Wahlrechts Angaben im Anhang zu machen. Es ist durchaus denkbar, dass Unternehmen im Einzelabschluss von dem Wahlrecht Gebrauch machen, nicht aber im Konzernabschluss oder umgekehrt.
Grundsätzlich sind die Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen im Personalaufwand, etwaige Auflösungen der Rückstellungen unter den sonstigen betrieblichen Erträgen sowie die Zinsaufwendungen im Finanzergebnis zu zeigen. In diesem Zusammenhang sind die Erträge aus der Abzinsung bzw. die Aufwendungen aus der Aufzinsung der Rückstellungen, und damit auch der Pensionsrückstellungen, nach § 277 Abs. 5 HGB gesondert auszuweisen. Erfolgswirkungen aus einer Änderung des Abzinsungssatzes, die sich bei Anwendung der gesetzlichen Neuregelung ergeben, dürfen im Finanzergebnis ausgewiesen werden.
Handlungsempfehlungen im Zusammenhang mit noch nicht verteilten BilMoG-Unterschiedsbeträgen
Sofern ein Unternehmen zum Abschlussstichtag einen noch nicht verteilten Unterschiedsbetrag nach Art. 67 Abs. 1 EGHGB aufweist, gilt es zu überlegen, diesen im Jahr der Anwendung der gesetzlichen Neureglungen voll zuzuführen. Damit wird der Entlastungseffekt aus der Umstellung der handelsrechtlichen Bewertung gemindert, gleichzeitig werden die Folgejahre, die sukzessive mit erhöhten Aufwendungen belastet werden, entlastet, da keine Zuführung des 1/15-Betrags bis zum Jahr 2024 mehr erfolgen muss. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass der Entlastungseffekt aus der Zinssatzanpassung im Finanzergebnis auszuweisen ist, während die Zuführung des verbleibenden BilMoG-Unterschiedsbetrags das operative Ergebnis belastet. Durch die Neufassung von
§ 275 HGB durch das BilRUG und dem damit einhergehenden Wegfall des außerordentlichen Ergebnisses sind künftige Zuführungsbeträge aus der BilMoG-Umstellung nach Art. 75 Abs. 5 EGHGB unter den sonstigen betrieblichen Aufwendungen auszuweisen.
Fazit
Durch dieses Gesetz mit nunmehr abgesenkten Rechnungszinssätzen werden die nach dem Handelsrecht zu bilanzierenden Pensionsrückstellungenen in den kommenden Jahren weniger schnell ansteigen. Dadurch ergeben sich in der Gewinn- und Verlustrechnung erhebliche Ergebnisentlastungen, die auch strukturelle Veränderungen in der Bilanz, wie etwa eine verbesserte Eigenkapitalquote, zur Folge haben.
Die handelsrechtliche Neuregelung zur Bewertung der Pensionen ist verpflichtend für die Jahresabschlüsse 2016 der Unternehmen (bei kalendergleichem Geschäftsjahr) zu beachten. Hieraus ergibt sich für das handelsrechtliche Ergebnis ein Entlastungseffekt im Jahr 2016. Dieser Entlastungseffekt könnte dazu genutzt werden, noch bestehende nicht passivierte Beträge aus der BilMoG-Anpassung (die grds. bis zum Jahr 2024 ratierlich zugeführt werden dürfen) zuzuführen.
Insgesamt geht mit der handelsrechtlichen Neuerung ein erhöhter Aufwand für die Bilanzierenden einher. Künftig sind die Pensionsverpflichtungen auf Basis eines anderen Zinssatzes zu ermitteln als die weiteren langfristigen Rückstellungen. Zudem sind künftig im Anhang die Bewertungen der Altersversorgungs-verpflichtungen (sowohl für die passivierten als auch für die nicht passivierten Beträge) sowohl nach der bisherigen Bewertungsmethode (Sieben-Jahres-Zeitraum) als auch nach der neuen Methode (Zehn-Jahres-Zeitraum) anzugeben.
Die Ausschüttungssperre dieses Differenzbetrages dürfte für steuerbegünstige Gesellschaften dagegen kaum Praxisrelevanz haben.
Im Rahmen ihrer Planungs- und Prognoserechnungen sollten Unternehmen neben den übrigen wesentlichen Bewertungsparametern (u.a. Einkommens- und Rentendynamik sowie Renteneintrittsalter) die künftig neue Entwicklung des HGB-Zinssatzes berücksichtigen, um die daraus resultierenden (aufwandswirksamen) Rückstellungserhöhungen für Pensionsverpflichtungen angemessen abschätzen zu können. Obwohl die zu erwartenden Rückstellungserhöhungen mit der aktuellen Gesetzesänderung zwar abgeschwächt sind, können diese mit 30 % - 60 % des heutigen Verpflichtungsumfangs aber durchaus erheblich sein.
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